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AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung!

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Von CHRISTIAN GEINITZ

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung!

Während die meisten Menschen in Deutschland noch schlafen,  kommt in China eine neue Führung ans Ruder. Die Spannung in der Großen Halle des Volkes, wo die internationale Presse auf den Einzug der Gladiatoren wartet, ist enorm gestiegen in den letzten Minuten. Erst mit mehr als einer Dreiviertelstunde Verspätung zeigen sich die Neuen, von denen man annehmen kann, dass sie in den kommenden zehn Jahren nicht nur Chinas Geschicke bestimmen werden, sondern zunehmend auch die der Welt.

Es handelt sich um den Ständigen Ausschuss des Politbüros, das höchste Gremium der Kommunistischen Partei Chinas. Dort werden die Entscheidungen getroffen, nicht im Staatsrat, der Zentralregierung, und schon gar nicht im Nationalen Volkskongress, dem Pseudoparlament, das nur einmal im Jahr zusammentritt.

Da kommen sie endlich!

Die erste Frage ist schnell beantwortet: Der Kreis wurde verkleinert, von 9 auf wieder 7 Mitglieder wie früher. Die Ausweitung hat sich offenbar nicht bewährt. Vielleicht war man zu schwerfällig, vielleicht gab es auch zu viele Schwierigkeiten, zum Konsens zu kommen, wonach man immer strebt. Der neue Kreis muss schlagfertiger werden, denn China steht vor wichtigen Entscheidungen, die man nicht länger hinauszögern darf.

Noch etwas anderes fällt sofort auf. Zwei Hoffnungsträger für mehr wirtschaftliche und vielleicht auch politische Öffnung haben es nicht in den erlauchten Zirkel geschafft: Weder ist Wang Yang dabei, der reformorientierte Parteichef der Erfolgsregion Guangdong (Kanton), noch Li Yuanchao. Letzterer war zuletzt der Organisationschef der Kommunistischen Partei. Der Mathematiker hat zeitweilig in Harvard studiert, gilt als sozial- und umweltpolitisch ausgerichteter Modernisierer und ist ein Vertrauter des alten Partei- und Regierungschfes Hu Jintao.

Die Reihenfolge des Einmarsches sagt alles aus. Hier kommen die sieben mächtigsten Politiker Chinas, ja Asiens, mit den neuen Nummern in der Parteihierarchie.

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Xi Jinping

Die Nummer eins ist, wie erwartet, Xi Jinping (59). Er dürfte im März auch neuer Staatspräsident werden, bisher war er dessen Stellvertreter. Überraschend wurde er heute schon zum neuen Chef der Zentralen Militärkommission ausgerufen. Beim Machtwechsel zuvor (von Jiang Zemin zu Hu Jintao) hatte der abtretende Führer das Amt des Oberbefehlshabers noch zwei Jahre länger ausgeübt, um einen Fuß in der Tür zu behalten. Dass das jetzt nicht der Fall ist, zeigt, wie wenig der als schwach und ermüdet geltende Hu in Zukunft noch zu sagen haben wird. Xis Macht hingegen wird nahezu absolut sein, in Partei, Regierung, Militär und Staat. Als er hineinkommt in den Prunksaal in der Großen Halle des Volkes am Platz des Himmlischen Friedens winkt Xi den Journalisten zu. Er gibt sich jovial und gelöst, während er in der Mitte der Bühne Position bezieht vor einem riesigen Gemälde eines Bergpanoramas. Xi bedankt sich artig bei der Weltpresse für das Interesse und für die Berichterstattung vom Parteitag, er stellt namentlich seine neue Mannschaft vor und hält dann eine kurze Rede.

Erwartungsgemäß lobt er darin die Errungenschaften der Partei, deren Erfolge „in aller Welt anerkannt” seien und auf die man zurecht stolz sein könne. Der neue starke Mann Chinas verspricht: „Unsere Partei ist entschlossen, unserem Volk zu dienen.” Man dürfe sich keinesfalls „auf den Lorbeeren ausruhen”, sondern müsse noch härter arbeiten als sonst. Denn „die Partei sieht sich unter den neuen Bedingungen ernsten Herausforderungen gegenüber, und es gibt viele dringende Probleme innerhalb der Partei, die gelöst werden müssen: vor allem Korruption, dass man sich von den Menschen entfernt hat, dass sich einige Parteioffizielle in Formalitäten und Bürokratismus ergehen.” Diese Breitseite kann man als klare Kampfansage gegen die grassierende Käuflichkeit verstehen, welche die Legitimation der Partei innerhalb der Bevölkerung immer mehr untergräbt. Zuletzt waren viele Fälle davon bekannt geworden, die prominentesten sind die Ermittlungen gegen den ehemaligen Parteichef der Stadtregion Chongqing, Bo Xilai, sowie gegen den früheren Eisenbahnminister Liu Zhijun. Pikant sind die Berichte der amerikanischen Presse, dass sich auch die Familien von Xi Jinping und des scheidenden Regierungschefs Wen Jiabao auf unstatthafte Weise bereichert hätten.

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Li Keqiang

Hinter Xi Jinping in der neuen Machtrangfolge Chinas folgt als Nummer 2 Li Keqiang  (57). Er wird der neue Staatsratsvorsitzende werden, also Regierungschef. Ein Erfolg für ihn ist, dass er diese Position um eine Hierarchiestufe nach oben verschieben konnte, von 3 auf 2. Bisher war der Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses in der Rangordnung wichtiger als der Regierungschef. Als Stellvertretender Ministerpräsident war Li unter anderem für die Gesundheits- und Sozialpolitik zuständig. In diesem wichtigen Reformfeld hat er wenig erreicht, weshalb ihn mancher für durchsetzungsschwach hält. Ausländische Diplomaten und Unternehmer schätzen ihn und seine relative Weltläufigkeit jedoch, auch weil Li Englisch spricht. Von seinem Aufstieg her ist er das Gegenbild zu Xi Jinping, der ein „Prinzling” ist, der Sohn eines (einfluss)reichen Politikers und Vizeregierungschefs. Li hingegen wurde in eine Bauernfamilie hineingeboren. Er arbeitete sich hoch und machte sich als nüchterner, aber verlässlicher promovierter Volkswirt einen Namen. 

Beide, Xi und Li, standen als Mitglieder im Ausschuss fest, dazu höchstens noch Wang Qishan (siehe unten). Neu sind die jetzt Folgenden:

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Zhang Dejiang

Nummer 3 ist Zhang Dejiang (66). Er hat in den vergangenen Monaten in der Stadtprovinz Chongqing aufgeräumt, nachdem dort der Populist und Neomaoist Bo Xilai aus dem Amt und aus der Stadt gejagt worden ist. Zhang war also bisher amtierender Parteichef von Chongqing. Wir erinnern uns: Bo Xilai hatte in Chongqing zwar Mafia und Korruption bekämpft, sich und die Seinen aber wohl bereichert und mit unkontrollierter Macht ausgestattet. Angeblich ging man wortwörtlich über Leichen. Bos Ehefrau jedenfalls wurde wegen des Mordes an einem britischen Geschäftsmann zum Tode verurteilt; die Strafe ist ausgesetzt. Zhang zeichnet aus, dass er an der Kim Il Sung Universität in Nordkorea Wirtschaft studierte. Es ist sehr fraglich, ob ihn das zum Reformer und zum nötigen Fachmann macht, um bei den überfälligen Wirtschaftsreformen mitzuhelfen. Zhang dürfte zum neuen Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses werden, der wieder im März tagt.

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Yu Zhengsheng

Nummer 4 heißt Yu Zhengsheng (67). Er ist der amtierende Parteichef von Schanghai, Chinas wichtigster Metropole. Yu dürfte künftig die so genannte Politische Konsultativkonferenz des Volkes anführen, die einmal im Jahr mit viel Tamtam parallel zum Nationalen Volkskongress in der Großen Halle des Volkes tagt. Ihr gehören –  jedenfalls theoretisch – Vertreter aller wichtigen gesellschaftlichen Gruppen an, unabhängig davon, ob sie Politiker oder Parteimitglieder sind – wiederum: jedenfalls theoretisch. Wie der Name sagt, berät und unterstützt die Konferenz das Parlament. Zu sagen hat sie ebenso wenig wie dieses, aber es gilt als Ehre, ihr anzugehören.

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Liu Yunshan

Die Nummer 5 heißt Liu Yunshan (65). Er diente lange in der Inneren Mongolei. Zuletzt war er der Vizechef der Propagandaabteilung im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas. Das ist die Stelle, welche nicht nur das gesamte Polit-Marketing unter sich hat, sondern auch die Presse in der Diktatur kontrolliert. Die wichtigsten Arme sind die staatliche Fernsehsendergruppe CCTV und die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Liu ist Chinas oberster Zensurchef, auch online, und deshalb vor allem bei Jüngeren nicht gerade beliebt. Seine Internetpolizei blockiert nicht nur politische Seiten, etwa zu Tibet, sondern auch Austauschforen wie Facebook, Youtube oder Twitter. Suchmaschineneinträge werden politisch gefiltert, die Verbindungsgeschwindigkeiten im Internet herabgesetzt (z.B. jetzt gerade während des Parteitags). Lius Berufung ist eigentlich folgerichtig, wenn man darüber nachdenkt, denn Liu ersetzt seinen Chef, der bisher genau die gleiche Position innehatte, also Rang 5. Dieser Vorgänger heißt Li Changchun. Liu gilt als konservativ.

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Wang Qishan

Nummer 6 ist Wang Qishan (64). Seine Berufung ist erwartet worden. Er war, wie Li Keqiang, zuletzt stellvertretender Regierungschef unter Wen Jiabao. Wang hat vom Parteitag gleich noch ein wichtiges Amt bekommen, das seine Position noch stärkt. Er ist der neue Chef der Zentralen Disziplinkommission der KPC. Diese Position hatte im Ständigen Ausschuss bisher He Guoqiang inne. Doch sein Platz, Nr. 8 in der Hierarchie, ist ja nun weggefallen. Das Amt ist aber zu wichtig, um aus dem Ständigen Ausschuss herauszufallen. Die Disziplinarkommission ist die gefürchtetsten Einrichtung innerhalb der Partei. International bekannt wurde die Antikorruptionseinheit, weil sie gegen den ehemaligen Parteichef der Stadtprovinz Chongqing, Bo Xilai, ermittelte. Die Kommission hat nach westlichen Maßstäben keinerlei hoheitliche Legitimation, trotzdem steht sie über, oder richtiger: vor dem Gesetz. Erst wenn ihre Ermittlungen abgeschlossen sind, übernehmen Polizei und Staatsanwaltschaft. Das ist im Falle von Bo Xilai ebenso, dem, nachdem er alle Regierungs- und Parteiämter verloren hat, nun auch ein ziviler Prozess gemacht werden soll. Wang gilt übrigens als Wirtschaftsfachmann und, ebenso wie Xi Jinping, als Mitglied der „Schanghai-Clique” des ehemaligen Parteichefs und Strippenziehers Jiang Zemin. Jiang bezog beim Parteitag, der am Mittwoch zu Ende ging, überraschend den Ehrenplatz neben dem bisherigen Parteichef Hu Jintao. Das zeigt, wie weit der Einfluss des 86jährigen noch immer reicht. Jiang Zemin und Hu Jintao sind Gegner. Jiang hat Xi Jinping ins Amt gehievt, Hu wollte lieber seinen Günstling Li Keqiang an der Spitze sehen.  

Bild zu: AUFWACHEN, DEUTSCHLAND! Die Weltmacht China hat eine neue Führung! Zhang Gaoli

Nummer 7 ist Zhang Gaoli (66). Auch über ihn war als Mitglied spekuluiert worden. Zhang ist Parteichef der Hafenstadt Tianjin, die südöstlich an die Hauptstadt grenzt. Wie Peking, Schanghai und Chongqing wird Tianjin regierungsunmittelbar verwaltet und ist einer der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte in China, dem wiederum erfolgreichsten Wirtschaftstandort in Asien, wenn nicht in der Welt. Aus Tianjin stammt auch der bisherige Regierungschef Wen Jiabao. Wenn Peking seinen neuen internationalen Flughafen auf halbem Wege nach Tianjin baut, rücken die beiden Städte – die Chinas erste Strecke für Hochgeschwindigkeitszüge verbindet –  noch enger zusammen. Dann dürfte hier ein neues Powerhouse mit fast 30 Millionen Einwohnern entstehen.

Fotos: Xinhua

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von itzi erschienen in Akte Asien ein Blog von FAZ.NET.


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